ImmoWertV: Die neue Immobilienwertermittlungsverordnung

Mit der neuen Verordnung soll stärker als bisher sichergestellt werden, dass die Bodenrichtwerte und auch die sonstigen für die Wertermittlung erforderlichen Daten bundesweit nach einheitlichen

Grundsätzen ermittelt werden. Auch die Ermittlung der Verkehrswerte durch private Gutachter soll möglichst bundesweit nach den Grundsätzen erfolgen. Am 1. Januar 2022 ist die neue Immobilienwertermittlungsverordnung (BGBl. I S. 2805) – ImmoWertV 2021 – in Kraft getreten. Bei Verkehrswertgutachten, die ab dem 1. Januar 2022 erstellt werden, ist die neue ImmoWertV gem. § 53 ImmoWertV auch dann anzuwenden, wenn sie sich auf einen Stichtag beziehen, der vor dem 1. Januar 2022 liegt. Damit weicht die ImmoWertV von dem Urteil des BFH vom 16.9.2020 (II R 1/18) ab.

Die neue ImmoWertV tritt an die Stelle der ImmoWertV 2010, die sich auf die Regelung allgemeiner Grundsätze für die Wertermittlung beschränkte. Detaillierte Regelungen zur Ermittlung des Bodenrichtwertes und der verschiedenen Wertermittlungsverfahren befanden sich bisher in einzelnen Richtlinien (Bodenrichtwertrichtlinie, Sachwertrichtlinie (SW-RL), Vergleichswertrichtlinie (VW-RL), Ertragswertrichtlinie (EW-RL). Da diese Richtlinien jedoch lediglich Empfehlungscharakter hatten, fand die Wertermittlung und vor allem die Ermittlung der für die Wertermittlung erforderlichen Daten bisher in Deutschland nicht einheitliche statt. Um eine bundesweite Grundstücksmarkttransparenz zu erzielen, sind die Richtlinien in die neue ImmowertV integriert worden. Dabei sind die Regelungen sprachlich überarbeitet und teilweise auch inhaltlich geändert worden. Mit dem 1. Januar 2022 sind die bisherigen Richtlinien gegenstandslos geworden.

Zu der ImmowertV werden im Laufe des Jahre 2022 noch sog. Anwendungshinweise (ImmoWertVA) veröffentlicht werden, die zusätzliche Hinweise und Erläuterungen enthalten.

Die gesetzliche Grundlagen für die Immobilienbewertung befinden sich in den §§ 192 – 199 BauGB. In § 194 BauGB ist die Definition des Verkehrswertes (Marktwertes) enthalten. In § 199 BauGB ist die Ermächtigung geregelt, nach der die Bundesregierung durch Rechtsverordnung „Vorschriften über die Anwendung gleicher Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte und die Ermittlung der für die Wertermittlung erforderlichen Daten einschließlich der Bodenrichtwerte“ erlassen darf. Von dieser Ermächtigungsgrundlage hat die Bundesregierung mit der ImmoWertV Gebrauch gemacht. Insbesondere enthält die neue ImmowertV jetzt verbindliche Vorgaben für die Gutachterausschüsse zu Ermittlung der für die Wertermittlung erforderlichen Daten“ (§ 193 Abs 5 und § 196 BauGB). Durch die ImmowertV soll eine Vereinheitlichung und Standardisierung der Grundstücksbewertung in Deutschland erreicht werden. Dies lag vor allem im Interesse der Finanzverwaltung, die die für die Grundstücksbewertung erforderlichen Daten von den Gutachterausschüssen übermittelt bekommt (§ 193 Abs 5 BauGB).

Anwendung der ImmowertV
In bestimmten Fällen ist die Anwendung der ImmowertV zwingend vorgeschrieben. Dabei handelt es sich vor allem um die im BauGB geregelten Fälle, wie insbesondere das Umlegungsverfahren (§§ 57 und 50 Abs. 2 BauGB und § 60 BauGB), die Enteignungsentschädigungen (§ 95 Abs. 1 BauGB) und das preislimitierte Vorkaufsrecht (§ 28 Abs. 3 BauGB). Die Anwendung der betreffenden durch die Finanzverwaltung ist im Bewertungsgesetz (BewG) geregelt. Außerdem ist die ImmowertV gem. § 198 Satz 2 BewG von dem Steuerpflichtigen zu beachten, wenn er dem Finanzamt im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer nachweist, dass der gemeine Wert des Grundstücks niedriger ist als der vom Finanzamt nach den §§ 179, 182 bis 196 BewG ermittelte Wert. Zum Nachweis ist ein Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken erforderlich (§ 198 BewG).

In allen anderen Fällen sind private Sachverständige nicht an die Regelungen der ImmowertV gebunden, auch wenn sie den Verkehrswert i.S.d. § 194 BauGB ermitteln. Eine indirekte Verbindlichkeit der ImmowertV ergibt sich für private Sachverständige jedoch aus dem „Grundsatzes der Modellkonformität“ (§ 10 ImmowertV). Denn dieser Grundsatz besagt, dass der Sachverständige bei Verarbeitung der von dem Gutachterausschuss erhobenen Bodenrichtwerte oder sonstigen für die Wertermittlung erforderlichen Daten die Regelungen der ImmowertV beachten muss, wenn diese Daten von den Gutachterausschüssen nach den Regeln der ImmowertV erhoben worden sind.

Inhaltlich Änderungen der neuen ImmowertV
Verallgemeinerung der Verfahrensschritte
In § 6 Abs. 3 ImmowertV sind nunmehr die Verfahrensschritte aufgeführt, die in der vorgegebenen Reihenfolge abzuarbeiten sind. Hierzu wurden folgende Oberbegriffe eingeführt: „vorläufiger Verfahrenswert“, „marktangepasster vorläufiger Verfahrenswert“ und „Verfahrenswert“. Neu ist die begriffliche Unterscheidung zwischen „allgemeinen und besonderen objektspezifischen Grundstücksmerkmalen“. Aus den Verweisen in § 6 Abs. 3 ergibt sich, bei welchen Verfahrensschritten die allgemeinen Wertverhältnisse, die allgemeinen Grundstücksmerkmale und die besonderen objektspezifischen Grundstücksmerkmale zu berücksichtigen sind.

Nach § 9 Abs. 1 ImmowertV müssen Kaufpreise, Bodenrichtwerte und sonstige für die Wertermittlung erforderlichen Daten an die Gegebenheiten des konkreten zu bewertenden Objekts und den Stichtag, auf den die Bewertung erfolgt, angepasst werden.

Ermittlung des Wertes von Rechten und Belastungen
In den §§ 46 ff ImmoWertV ist geregelt, wie grundstücksbezogene Rechte und Belastungen und die belasteten Grundstücke zu bewerten sind. Die Regelung beschränkt sich auf allgemeine Grundsätze und enthält keine Rechenbeispiele. Weitere Einzelheiten sollen dann in der ImmoWertVA geregelt werden. Nur die Bewertung von Erbbaurechten und mit einem Erbbaurecht belasteten Grundstücken wird in den §§ 48 – 53 ImmowertV detailliert geregelt.

Eignung und Anpassung der für die Wertermittlung heranzuziehenden Daten
Der nach § 21 Abs. 3 ermittelte Sachwertfaktor ist auf seine Eignung i.S. des § 9 Abs. 1 S. 1 zu prüfen und bei etwaigen Abweichungen an die Gegebenheiten des konkreten Wertermittlungsobjekts anzupassen. Das Gleiche gilt für den Vergleichsfaktor (§ 26) und den Liegenschaftszinssatz (§ 33).

Grundsatz der Modellkonformität (§ 10 ImmowertV)
Bei Anwendung der sonstigen für die Wertermittlung erforderlichen Daten sind dieselben Modelle und Modellansätze zu verwenden, die der Ermittlung dieser Daten zugrunde lagen. Liegen für den maßgeblichen Stichtag lediglich Daten vor, die nicht nach dieser Verordnung ermittelt worden sind, ist bei Anwendung dieser Daten von der ImmoWertV abzuweichen, soweit dies zur Wahrung der Modellkonformität erforderlich ist.

Vorgabe fester (nicht widerlegbarer) Modellansätze
Teil 2 der ImmowertV (§§ 12 – 23) richtet sich vor allem an die Gutachterausschüsse und enthält Vorgaben zur Ermittlung der Bodenrichtwerte sowie der sonstigen für die Wertermittlung erforderlichen Daten. Hierzu zählen gem. § 12 Abs. 1 insbesondere: Indexreihen, Umrechnungskoeffizienten, Vergleichsfaktoren, Liegenschaftszinssätze, Sachwertfaktoren, Erbbaurechts- und Erbbaugrundstücksfaktoren sowie Erbbaurechts- und Erbbaugrundstückskoeffizienten.

In § 12 Abs. 5 in Verbindung mit den Anlagen 1 bis 4 werden die wesentlichen Modellansätze verbindlich vorgegeben (Gesamtnutzungsdauer, Modernisierungsgrad, Bewirtschaftungskosten, Normalherstellungskosten).

Die Gesamtnutzungsdauer gem. § 12 Abs. 5 Satz 1 ergibt sich nicht mehr als Spanne, sondern als fester Wert. Bei freistehenden Ein- und Zweifamilienhäusern, Doppelhäusern und Reihenhäusern beträgt die Gesamtnutzungsdauer 80 Jahre ohne Differenzierung nach Standardstufen. Eine Individualisierung soll durch die Bestimmung der Restnutzungsdauer erfolgen.

Wie die Verlängerung der Restnutzungsdauer aufgrund von Modernisierungen zu berechnen ist, ergibt sich aus der Anlage 2. Die Anlage enthält die Formel zur Ermittlung der Restnutzungsdauer in Abhängigkeit von dem Modernisierungsgrad, der Gesamtnutzungsdauer und dem Alter des Gebäudes.

Die Anlage 3 enthält Ansätze für die Bewirtschaftungskosten. Diese sind nunmehr als Modellansätze für die Ermittlung der Liegenschaftszinssätze gem. § 32 Abs. 1 Satz 2 verbindlich vorgegeben. Eine zeitliche Anpassung erfolgt mit Hilfe des Verbraucherindex.

In Anlage 4 werden die Normalherstellungskosten 2010 verbindlich vorgegeben. Die NHK sollen zum Bezugszeitpunkt 1. Januar 2022 überarbeitet werden.

Nach § 12 Abs. 6 müssen die Gutachterausschüsse ihre Modellansätze, und Bezugseinheiten sowie weitere Informationen in einer Modellbeschreibung dokumentieren. Hierzu zählen vor allem der Stichtag, auf den sich die Daten beziehen sowie eine Beschreibung der Stichprobe.

In den §§ 13 bis 17 sind Regelungen zu den Bodenrichtwerten enthalten. § 15 Abs. 1 regelt, dass Wertunterschiede zwischen den Grundstücken, für die der Bodenrichtwert gelten soll, und dem Bodenrichtwert nicht mehr als 30 Prozent betragen dürfen. Aus diesem Grund müssen die Bodenrichtwertzonen in vielen Fällen neu abgegrenzt werden.

Wertrelevante Geschoßflächenzahl WGFZ
Der Bodenwert von Grundstücken wird nicht nur durch die Lage, sondern auch durch die baulichen Ausnutzung des Baugrundstücks beeinflusst. Als Maß für die bauliche Ausnutzung gilt die wertrelevante Geschoßflächenzahl (WGFZ), die das Verhältnis zwischen Grundstücksgröße und wertrelevanter Geschoßfläche festlegt. In § 16 Abs. 4 der neuen ImmowertV ist verbindlich geregelt, wie die WGFZ zu berechnen ist. § 20 Absatz 1 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) findet keine Anwendung. Durch die verbindliche Definition der WGFZ erübrigt es sich bei der Bewertung von Grundstücken, zu prüfen, welche individuelle Definition der WGFZ der betreffende Gutachterausschuss zugrunde gelegt hat. Ausgebaute oder ausbaufähige Dachgeschosse sind mit 75 % ihrer Fläche auf die WGFZ anzurechnen.
Quelle:IVD-West

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